Samstag, 9. Juli 2016

Geburtshilfe

Die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) ist wohl die spannenste der heimischen Amphibien, gleichwohl kennen viele diese Art nur aus Büchern, da sie in Deutschland nur selten anzutreffen und in ihren mitteleuropäischen Refugien äußerst gefährdet ist.  Bedanken möchte ich mich bei Klemens, der es mir erstmalig ermöglichte, die Tiere zu Gesicht zu bekommen.
Obskur, sonderbar, ungewöhnlich, besonders - das ist die Assoziation die einem zu der Biologie dieser Art einfällt, tragen doch die Männchen den Laich von ein bis zwei Weibchen um die Hinterbeine gewickelt bis zum Schlupf der Kaulquappen mit sich rum.
150mm, f/8, 1/5s, ISO200
Die Verbreitung der Art beschränkt sich auf Westeuropa und westliche Teile Mitteleuropas. Sie ist in beinah ganz Frankreich verbreitet, in großen Teilen Spaniens und teilweise in der Schweiz, Belgien und der Niederlande zu finden. In Deutschland ist die Verbreitung sehr regional und beschränkt sich auf West- und das westliche Mitteldeutschland. Außerdem gibt es noch Vorkommen in Südbaden. In Südwesteuropa gibt es noch weitere Arten und eine in Nordafrika. Je nach Systematik sind es fünf bis acht Geburtshelferkrötenarten.
Verbreitung der Geburtshelferkröte in der EU25
150mm, f/5, 1/3s, ISO200
Ursprünglich war die Geburtshelferkröte vermutlich vor allem in den Überschwemmungsflächen der Auen zu finden. Da dieser Primärlebensraum heute in Deutschland weitestgehend fehlt, musste die Art auf Ersatzlebensräume ausweichen. Das sind vorallem Abbaugebiete, militärischen Übungsplätzen, Bahndämmen, Gärten und ähnliches. Entscheidend ist dabei das nutzbare Angebot an Tagesverstecken, die in Siedlungen etwa durch Trockenmauern, Steinhaufen oder Holzstapel gegeben ist, die Tiere nutzen ansonsten Verstecke unter Steinen, Erdlöchern oder graben sich in lockererem Sediment ihren Unterschlupf selbst. Bei der Wahl des Kaulquappengewässers sind die Tiere eher anspruchslos, jedoch stellt der Besatz von Fischen häufig ein Problem dar. 
Luftloch deutet auf das Tagesversteck hin
Der leise Ruf wird auch als Glockenklang bezeichnet und kann von beiden Geschlechtern  erzeugt werden. Mit Einbruch der Dämmerung beginnen die Tiere mit dem einsilbigen Rufen.
Die Biologie mutet eher wie von einem seltenen tropischen Frosch an, als von einem heimischen Amphib. Dabei scheinen die Geburtshelferkröten einer basale Gruppe in der Stammesgeschichte der Amphibien anzugehören und werden u.a. mit den Unken zu den "Urfröschen" subsummiert. Dennoch ist die Fortpflanzungsbiologie der Art überaus spezialisiert und in dieser Art wohl auch einzigartig. Die Paarung findet an Land statt. Nach der Befruchtung des Laichs übernimmt das Männchen die Laichschnüre. Diese spannt bzw. umwickelt er an seinen Hinterbeinen. 
Die Kaulquappen können recht groß werden (bis zu 9 cm) und überwintern teilweise vor der Metamorphose im Gewässer.
150mm, f/8, 1/20s, ISO500
150mm, f/8, 1/13s, ISO500
Die Geburtshelferkröte ist vor allem durch Lebensraumverluste und Verinselung der Einzelvorkommen gefährdet. Insbesondere die Zerstörung bzw. Verlandung der Kaulquappengewässer und auch das Einsetzen von Fischen in bislang fischfreien Gewässern stellt ein existentielles Problem dar. Aber auch die Verbuschung der Landlebensräume sowie der Verlust von Lebensraumelementen wie Lesensteinhaufen, Trockenmauern oder Rohbodenstandorten tragen zur Gefährdung der Art bei. In Deutschland wird das Amphib auf der Roten Liste als gefährdet geführt.
Weibchen
150mm, f/8, 1/2s, ISO200